6. AusgabeSchool Stuff

„Sprich doch mal mit Frau Dietrich!“ – Schulseelsorge an der ADS

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Du möchtest mit jemandem über deine Probleme reden, weißt aber nicht mit wem? Frau Dietrich kann dir da weiterhelfen! Ein Interview über die Schulseelsorge an der ADS.

Spickzettel: Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. 

Frau Dietrich: Ja, sehr gerne.

S: Möchten Sie sich zu Beginn erstmal kurz vorstellen?

D: Ja, gerne. Also, mein Name ist Friederike Dietrich und ich unterrichte Englisch und evangelische Religion und bin auch hier in der Oberstufenberatung tätig. Ich übernehme die Stufenleitung, jetzt freue ich mich die kommende EF als Stufenleitung begrüßen zu können!

S: Schön! Außerdem haben Sie ja die Seelsorge an der Schule, das ist ja Ihre Aufgabe, irgendwie. Können Sie vielleicht mal kurz erklären, was die Seelsorge überhaupt ist, also z.B. die Definition oder wie das mit der Schule verbunden ist?

D: Ja, genau. Schulseelsorge. Mein Anliegen ist es, Ansprechpartnerin zu sein bei den kleineren, mittleren und auch größeren Sorgen, die Schülerinnen und Schüler mit sich herumtragen. Einfach mal ein offenes Ohr zu haben und zu sagen: „Erzähl doch mal; wie geht’s dir und was belastet dich vielleicht gerade?“ – das mal loszuwerden. Schulseelsorge bedeutet auch ein bisschen natürlich diesen geistlichen Aspekt, was so die Vorbereitung von unseren Schulgottesdiensten angeht, das sehe ich auch mit in dem Bereich, aber so in erster Linie geht’s tatsächlich um das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern, manchmal auch mit Kolleginnen und Kollegen, die das wissen, dass sie gerne zu mir kommen können. 

S: Interessant! Sie haben gerade auch irgendwas vom Christentum gesagt, also von der Religion. Und zwar wird die Seelsorge ja oft mit dem Christentum verbunden, deshalb wollte ich fragen, ob Sie das gewählt haben, weil Sie evangelische Religion unterrichten oder ob es da irgendwie eine Motivation gab hinter dem Gedanken, dass Sie das anbieten würden?

D: Also ich mache das nicht als Religionslehrerin in dem Sinne, dass ich den christlichen Glauben versuche, mit ins Gespräch zu bringen, gar nicht. Es ist wirklich ganz ganz offen für alle Religionen, auch für Menschen, die sagen: „Ne, mit Religion habe ich gar nichts am Hut.“ Das spielt keine Rolle, also das ist jetzt nicht die Eintrittskarte, die man für ein Gespräch mit mir haben muss, zu sagen: „Ich bin ein religiöser Mensch.“ Allerdings ist meine Weiterbildung im Beruf von der evangelischen Kirche angeboten worden. Ich habe da zwei Jahre lang verschiedene Wochenenden in einem Seminar zugebracht, das vom Pädagogisch-Theologischen Institut in Bonn angeboten wurde und deshalb ist es schon so unter dem Deckmantel oder unter der Überschrift der evangelischen Kirche entstanden, aber in der Schule spielt das jetzt keine Rolle mehr, sondern es ist von mir aus mein Anliegen, für Menschen da zu sein, für Schülerinnen und Schüler da zu sein.

S: Das ist schön, besonders auch, weil hier ja auch verschiedene Religionen vertreten sind.

D: Natürlich! Ganz genau, absolut. Und das ist auch ganz wichtig, dass das so wahrgenommen wird und man sich auch mit seiner eigenen Religion da wahrgenommen und auch akzeptiert sieht!

S: Können Sie dann den Ablauf der Seelsorge an der ADS etwas erläutern? Gibt es da irgendwie eine Routine oder wird das spontan entschieden, wann Sie das leisten oder wie das abläuft?

D: Ja, also es ist so, dass alle Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich mich zum Gespräch anbiete und oft ist es so, dass sie dann Schülerinnen und Schüler darauf ansprechen und sagen: „Hör mal, wenn’s dir nicht gut geht, dann geh doch mal zur Frau Dietrich und guck mal, ob du mit ihr mal sprechen kannst“ und dann entsteht so eine Begegnung. Ich gucke dann, wann hat diejenige oder derjenige Zeit, wann passt es sich zu verabreden, das kann mal nach der sechsten Stunde in der Mittagspause oder so sein. 

„Das ist mir schon ganz wichtig, dass Schülerinnen und Schüler auf mich dann zukommen.“

Zwar, dass sie den Hinweis bekommen: „Guck mal, du kannst da hingehen, da hat jemand ein offenes Ohr“, aber so dieser erste Schritt, jetzt zu sagen: „Ich möchte gerne mit Ihnen sprechen“ oder „Ich möchte gerne mal kommen“, das ist mir wichtig, dass der von der Schülerin oder dem Schüler gemacht wird. Wir haben zwar auch dieses Angebot mit dem „Walk and Talk“, das hatte ich im letzten Schuljahr so verstärkt angeboten, dass ich gesagt habe, wir gehen dann auch mal raus, ein bisschen spazieren oder so. Aber das ist jetzt gar nicht so festgelegt. Die Plakate hängen noch da, wenn sich das so ergibt, dann ist das gut. Ich habe nach wie vor in dieser siebten Stunde Zeit, aber ein Treffen läuft mehr über diesen Kontakt: erst Fachlehrer und dann zu mir.

S: Interessant! Dann bekannterweise macht man Seelsorge ja in Begleitung bei Krisenzeiten. Deshalb wollte ich fragen, ob es mehrere Treffen gibt, ob sich Schüler:innen einmal treffen oder ob es halt läuft, wie das genau ist.

D: Das ist auch ganz individuell. Da frage ich auch gerne dann nach: „Sollen wir uns nochmal treffen? Was ist dein Wunsch?“ Manchmal sind das zwei, drei Treffen, manchmal sind’s auch noch mehr Treffen. Meistens ist am Ende so eines Gespräches mal was festgezurrt, wo man sagt: „Das würde ich mal gerne verändern“ oder „Da achte ich jetzt mal drauf, dass ich das vielleicht in der nächsten Zeit versuche, zu verändern“ und dann bietet sich das an, nach einer Woche, manchmal auch nach zwei Wochen zu sagen: „Ach komm, lass uns nochmal drauf gucken. Hat sich was verändert? Hast du das geschafft, wie du dir gedacht hast? Was brauchst du vielleicht noch, um da weiterzumachen?“

S: Finde ich gut, dass man die Unterstützung weiter hat und nicht nur einmal. Wie viele Schüler:innen kommen denn durchschnittlich zu Ihnen? Gibt es da eine Zahl?

D: Das verändert sich auch tatsächlich. Da sind natürlich durch Corona so manche Themen sehr oben auf, was so die Orientierung angeht; da sind vielleicht auch belastende Dinge, die von Zuhause mitgebracht werden, weil sich doch in Corona auch Zuhause manches anders abgespielt hat als vorher; weil sich Motivation verändert hat. Es ist ein wenig schwierig, eine Zahl zu nennen, aber ich denke, dass ich im Schnitt so zwei bis drei Gespräche pro Woche im schulseelsorglichen Bereich habe.

S: Ganz schön viel!

D: Ja, aber es ist gut!

S: Finde ich auch. Nun, mir ist bewusst, dass Sie Schweigepflicht haben, aber können Sie irgendwie generell, also gar nicht auf jemanden bezogen, sagen, was so die meist vertretenen Sorgen und Probleme sind bei Schüler:innen, also die, die die meisten mitbringen zur Seelsorge?

D: Ja genau, also die Schweigepflicht ist da ganz wichtig bei dem Thema und an dieser Stelle. Das halte ich auch wirklich so durch, auch Kolleginnen und Kollegen gegenüber, selbst wenn sie gesagt haben: „Hör mal, kannst du da mal mit dem Schüler oder der Schülerin sprechen?“ oder so, dann bleibt das wirklich auch bei mir und bei demjenigen oder derjenigen, die gekommen ist. Also es ist tatsächlich so, dass es oft die kleinen Sorgen des Alltags sind, die einem aber sehr zu schaffen machen können, gerade wenn man das Gefühl hat, man ist damit alleine. Das kann Motivation sein, dass ich mich sehr unmotiviert fühle, in die Schule zu kommen; das können Spannungen sein, die in verschiedenen Beziehungen auftauchen, wo ich auch gerne mal möchte, dass mich da jemand anhört oder vielleicht sogar auch mal drauf guckt und was dazu sagt. Meine Erfahrung ist in diesen Gesprächen auch, dass diejenigen, die kommen, ganz oft selber entdecken können, was sie verändern können und das ist mir auch ganz wichtig. Ich bin jetzt nicht als Schulseelsorgerin diejenige, die da jede Menge Tipps gibt und sagt: „Mach das doch mal so“, sondern in dem Gespräch mal zu gucken und gemeinsam zu entwickeln: „Was ist mir persönlich wichtig, welche Stärken habe ich und wie kann ich so eine Situation, die mich gerade belastet, aus meiner eigenen Kraft, aus meinen eigenen Ressourcen verändern?“ Das ist unglaublich spannend und sehr toll, was dann da plötzlich an AHA-Erlebnissen entsteht. Das macht mir sehr viel Freude und das ist das, was ich denke, ja, wenn man diese Erfahrung auch mal mit sich selber gemacht hat, dass man selbst die Fähigkeiten hat, Dinge für sich zu verändern,  dann kann man das auch an ganz vielen anderen Stellen wieder anwenden.

S: Jetzt wollte ich eigentlich fragen, was Sie den Schüler:innen raten, aber wahrscheinlich ist das so, dass Sie keine Ratschläge geben, sondern die selbst darauf kommen.

D: Genau, tatsächlich so mal gucken: „Was kann ich gut?“ und das ist halt wirklich eine ganz großartige Sache, wenn man mal schaut: „Welche Fähigkeiten habe ich, welche Qualitäten habe ich und was hindert mich daran, die so selber entfalten zu lassen?“, und dann entdecken: „Was kann ich verändern an diesen Hemmnissen?“

S: Und gibt es irgendwie Wege, oder kennen Sie Wege, wie Schüler:innen diese Probleme vorbeugen können, bevor irgendwie sowas eintritt, dass man vorher schon darauf achtet? 

D: Ich glaube tatsächlich, dass Gespräch an vielen Stellen eine ganz ganz wichtige Hilfe sein kann. Wenn ich merke, es geht mir nicht gut, dass ich schaue, mit wem kann ich drüber sprechen und wo kann ich tatsächlich auch mal diese Sorgen loswerden. Sich gegenseitig zu unterstützen, auch eben in einer Klassengemeinschaft, in einer Kursgemeinschaft. Das sehe ich hier an vielen Stellen, also das ist toll, dass ihr oft wisst, wem geht’s gerade wie. Das ist eine tolle Sache und eine gute Sache. Ich glaube, wenn man das wirklich im Blick behält und aufeinander achtet, dann sind wir gut unterwegs. Das ist auch etwas, das ich erlebt habe, dass dann auch wirklich mal Schülerinnen zu mir gekommen sind und gesagt haben: „Boah, wir wissen, da ist was. Da geht es einer Mitschülerin nicht gut und was können wir machen?“, weil sie gesagt haben: „Wir wollen da mal helfen“, und sich dann auch bei mir Hilfe geholt haben und gesagt haben: „Wie gehen wir jetzt damit um?“ Und das ist auch, glaub ich, eine gute Sache; im Gespräch miteinander bleiben, auch mal hingucken, wenn man merkt, es geht einem nicht gut, da hat sich vielleicht auch jemand verändert, aus welchen Gründen auch immer, um zu sagen: „Komm, wir lassen das mal gemeinsam angehen.“

S: Ja, das ist natürlich wichtig, dass man füreinander da ist. Jetzt haben Sie vorhin auch etwas zu Corona gesagt, da wollte ich auch fragen, da besonders bei der Pandemie ja häufig die Probleme verstärkt wurden oder neue entstanden sind, ist die Gesprächsanzahl während der Corona-Krise oder danach auffällig gestiegen oder gesunken?

D: Ja genau, also diese Geschichte während des Distanzunterrichts, da war das natürlich schwierig, so mit mir in Kontakt zu treten, da lief das auch öfters über die Klassenlehrer und Klassenlehrerinnen und dann auch über Eltern manchmal, dass ich dann mit Eltern auch gesprochen habe, am Telefon oder so. Also da war das wirklich mehr so auf dieser Ebene. Aber seitdem wir wieder in der Schule sind, ist es schon verstärkt, dass Schülerinnen und Schüler kommen und mal reden wollen. 

S: Gibt es denn irgendwelche Einschränkungen nach der Pandemie?

D: Ja, ein wenig schon durch das Tragen der Masken. Deshalb ist es auch im Moment so, dass ich sehr gerne rausgehe mit denjenigen, die zum Gespräch kommen, einfach weil wir dabei die Maske abnehmen können, mit Abstand sitzen können. Für mich hat sich das bewährt, mal auf den kleinen Schulhof zu gehen oder hinten auf den Sportplatz, wo die Bänke sind oder so, dass man einfach auch mal wirklich miteinander ohne Maske sprechen kann. Das ist die einzige Einschränkung, die ich im Moment so sehe, ansonsten würde ich jetzt sagen, ist da aktuell nichts an Einschränkungen mehr. Das Einzige ist, sich selber zu bewegen und zu sagen: „Ich will mal sprechen“, das ist, glaube ich, das Wichtigste. 

S: Genau dazu habe ich etwas, und zwar oft möchte man sich ja Hilfe holen, man traut sich aber nicht oder man will niemanden mit seinen Problemen belasten. Haben Sie da irgendwie einen Ratschlag, was Schüler:innen machen sollten? Oder gibt es z.B. anonyme Seelsorge so durch E-Mail oder so, dass man Sie ansprechen kann, ohne dass man seinen Namen sagt?

D: Das habe ich bisher noch nicht gehabt. Fände ich selber auch glaub ich gar nicht so schön. Also es ist ja insofern schon anonym, weil ich auch oft die Schülerinnen und Schüler, die kommen, gar nicht selbst unterrichte. Also deshalb ist da schon eine gewisse Anonymität eigentlich gegeben. Und wie gesagt, dieses Vertrauen darauf, dass ich meine Schweigepflicht ernst nehme und wahrnehme, das ist schon ganz wichtig. Ich weiß auch nicht, wie hilfreich das ist, wirklich in dieser Weise anonym unterwegs zu sein in der Schule. 

S: Ok, das waren jetzt so meine wichtigsten Fragen. Möchten Sie noch abschließend den Leser:innen etwas mitteilen?

D: Ja, vielleicht so in die Richtung, dass man tatsächlich seine eigenen Gedanken und Gefühle durchaus ernst nehmen darf und auch kann und wenn man merkt, dass man in so ein gewisses Gedankenkarussell einfährt, was einem nicht guttut, da mal zu schauen: „Wie komme ich da wieder raus und wie kann ich Dinge für mich verändern?“ Also ich habe, bevor ich diese Schulseelsorge-Weiterbildung gemacht habe, die Weiterbildung zur systemischen Beraterin gemacht und das ist so eine ganz wichtige Erkenntnis aus der Systemik, aus der systemischen Beratung: Ich kann mich selber verändern. Ich kann ganz schwer den anderen verändern, mein Gegenüber. Aber ich kann mich selber verändern und da steckt unheimlich viel Potential und ganz viel Kraft hinter. Das zu entdecken, das finde ich ganz wichtig. Das würde ich auch gerne noch so als Stichwort mitgeben. Genau, diese Kraft, sich selbst verändern zu können, die ist da. Die kann man wecken.

S: Ich glaube auch, sobald man das realisiert, kann man die Probleme auch ganz schnell lösen, oder?

D: Ja, also auf jeden Fall kann ich die Perspektive wechseln und das ist oft schon der Anfang einer Lösung, wenn ich Perspektive wechseln kann. 

S: Ok, dann vielen Dank für ihre Zeit und dieses informative Interview!

D: Ja, sehr gerne! Vielen Dank für deine gute Idee zu diesem Treffen und dass du auf diese Weise die Schulseelsorge ins Bewusstsein aller an der ADS geholt hast!

Falls auch ihr mit Frau Dietrich sprechen wollt, geht in den Oberstufenberatungsraum neben dem Lehrerzimmer, dort ist sie häufig zu finden. Sonst könnt ihr Frau Dietrich auch eine Nachricht ins Fach legen lassen oder als ersten Kontakt eine E-Mail an dietrich@ads-smartclassroom.de schreiben.

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