8. AusgabeSchüler Erklärt

Twitter – Fall eines Giganten

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In diesem Artikel möchte ich mich, wie bereits in meinem letzten Artikel „Anlagemöglichkeiten für Schüler“ angekündigt, näher mit Unternehmensübernahmen und hier beispielhaft mit der Twitter-Übernahme durch Starunternehmer Elon Musk auseinandersetzten.

Zu einer Unternehmensübernahme kommt es in den meisten Fällen dann, wenn Unternehmen, beispielsweise auf Grund ihrer Kapitalsituation, nicht ihr volles Potenzial entfalten können und größere, finanzstärkere Unternehmen das Potenzial des Unternehmens oder einer einzelnen Unternehmenssparte erkennen und dieses in die eigene Gesellschaft implementieren möchten. Unternehmensübernahmen können somit durchaus einvernehmlich ablaufen und als effektive Maßnahme zur Fortschrittssicherung eines Unternehmens verstanden werden. Neben von beiden Seiten unterstützten Übernahmen kann es jedoch auch zu sogenannten „feindlichen Übernahmen“ kommen, im Rahmen derer die begehrte Firma häufig in eine finanzielle  Situation versetzt wird, welche eine Übernahme unausweichlich macht. Dies geschieht neben einem altbekannten „Handelskrieg“, also einem gezielten marktwirtschaftlichem Angriff auf ein Unternehmen, auch durch sogenannte „Lehrverkäufe“ von Aktien, wie sie beispielsweise von „Short-Sellern“ betrieben werden.

Doch dazu im nächsten Artikel mit dem Schwerpunkt „Hedgefonds“ mehr.

Aus aktuellem Anlass habe ich mich entschieden, im Hinblick auf Unternehmensübernahmen das Beispiel der Twitter-Übernahme durch Milliardär und Tesla-CEO Elon Musk anzuführen. Hier handelt es sich um eine äußerst medial presente Übernahme von gewaltigem Ausmaß, an welcher deutlich wird, wie eine solche Übernahme zum Beispiel durch scheinbar simple social media posts beeinflusst werden kann. Da sie nun bereits ein wenig zurückliegt, können wir auch einen Blick darauf werfen, wie sich die Übernahme auf Twitter und letztendlich auch auf die anderen Unternehmungen von Elon Musk wie SpaceX und Tesla ausgewirkt hat, wodurch die große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Übernahmen deutlich wird.

Zunächst einmal eine kurze Zusammenfassung der Übernahme:

Am 4. April 2022 wird durch ein Börsendokument Musks Kauf von 73, 5 Millionen Twitter-Aktien bekannt, was einem Anteil von ungefähr 9,2% am Unternehmen entspricht. Das Investment kostet Elon Musk ca. 2,9 Milliarden US-Dollar und macht ihn schlagartig zu Twitters Hauptaktionär. Wie für einen Aktionär dieser Größe üblich, wird Musk unmittelbar nach dem Kauf von Twitter-Chef Parag Agrawal ein Sitz im Verwaltungsrat des Unternehmens angeboten. Nach Kritik von Musk an der Twitter-Geschäftsführung entschließt er sich laut Agrawal am 10. April schließlich gegen den Verwaltungsratsposten. Nun beginnt die eigentliche Unternehmensübernahme, welche zunächst als „feindliche Übernahme“, also als nicht einvernehmlich verhandelte Übernahme, angedacht ist. Für 54,20 US-Dollar pro Stück will Musk sämtliche Aktien des Unternehmens kaufen und das Unternehmen von der Börse holen, wie es am 13. April bekannt wird. Knapp zwei Wochen später am 25. April gibt Twitter eine Vereinbarung zum Kauf der Online-Plattform bekannt, im Rahmen derer Musk einem Kaufpreis von 44 Milliarden US-Dollar und somit einem Stückpreis von 54,20 US-Dollar pro Aktie zustimmt. Mit der Vereinbarung geht Elon Musks Ankündigung, dass er den Konzern in jeder Hinsicht verbessern wolle, einher. Doch wer nun denkt, die Übernahme sei fast über die Bühne, der hat sich getäuscht, denn am 13. Mai kündigt Musk unerwartet den Übernahmestopp an. Als Grund gibt er eine angeblich höhere Anzahl von Spam- und Fake-Accounts als in der früheren Vereinbarung definiert an. Der plötzliche Rückzieher führte zu einem unmittelbaren Kursrutsch der Aktie. Nicht wenige Kritiker sprechen von einer gezielten Manipulation der Übernahme, um den verhandelten Kurs zu reduzieren. Den Rücktritt von der Übernahme rechtfertigen Musks Anwälte am 8. Juli final mit der Angabe schädlicher Fehlinformationen seitens Twitters bezüglich der Accounts. Als Reaktion leitet Twitter juristische Schritte gegen Musk in Form einer Klage bei einem unter anderem auf Unternehmensübernahmen spezialisierten Gericht in Delaware ein, welches den Prozessbeginn zunächst auf den 17. Oktober taxiert.

Doch überraschend kommt Musks Sinneswandel und er teilt am 4. Oktober mit, den Kauf im Falle des Verzichts auf den Prozess, vollziehen zu wollen. Die Ankündigung verschafft den Twitter Aktionären und Börsianern Gewissheit bezüglich des Wertpapierwerts von Twitter und die Märkte atmen erneut leicht auf. Zuvor hatte die Aktie bereits wieder stark zugelegt, da Juristen vor der Aussichtslosigkeit des Prozesses für Musk gewarnt hatten. Am 27. Oktober, einem Tag vor Ablauf der von der Richterin festgelegten Frist, vollzieht Musk den Twitter Kauf für den ursprünglichen Kurs von 44 Milliarden US-Dollar.

Doch wie funktioniert nun ein derartiger Firmenkauf?

Zum Zeitpunkt des Kaufs war Twitter eine Aktiengesellschaft und gehörte somit verschiedensten Groß- und Kleinaktionären. Somit war der Vorstand bzw. das „Executive board“ Twitters nur deren Repräsentant für die Unternehmensführung. Im Rahmen von Aktionärsversammlungen konnten beispielsweise die größten Aktionäre, also diejenigen, die aufgrund ihres großen Anteils am Unternehmen analog über einen gewichtigen Stimmanteil verfügten, durch Abstimmungen, aktiv Einfluss auf die Unternehmensgestaltung nehmen und mussten zudem den Vorstand entlasten, welcher sich und seine Unternehmensführung vor den Aktionären zu verantworten hatte. Der Vorstand war also im Fall von Twitter nur Vertreter der Aktionäre und konnte nicht über den Verkauf Twitters entscheiden. Dennoch war der Vorstand für die Übernahmeverhandlungen verantwortlich und musste im Interesse der Aktionäre den bestmöglichen Deal aushandeln. Jenen Deal konnte der Vorstand dann den Aktionären vorstellen und zudem eine Empfehlung für die Geschäftsabwicklung aussprechen. Nun mussten sämtliche Aktionäre, also auch Kleinanleger, über die Annahme des Angebots entscheiden. Über die Banken, welche ihre Depots verwalteten, wurden die Aktionäre postalisch von Musks Angebot in Kenntnis gesetzt und konnten den Verkauf unmittelbar von ihrer Depotbank abwickeln lassen. Dies geschah, wie bereits erwähnt, am 27. Januar und verschaffte Elon Musk die Anteilsmehrheit am Unternehmen. Der vorgestellte Finanzierungsplan von Musk, welcher der Übernahme Gestalt verleihen und die Aktionäre absichern sollte, stützte sich jedoch nicht nur auf Musks Eigenkapital, sondern auch auf Darlehen von Banken und auf Beteiligungsgesellschaften sowie Investoren und umfasste 46,5 Milliarden US-Dollar und implizierte somit auch Gelder z.B. für hohe Transaktionskosten. Die größte Beteiligungsgesellschaft, welche den nach Musk zweitgrößten Anteilseigner von Twitter darstellt, ist die „Kingdom Holding“, eine saudi-arabische Investmentgesellschaft unter der Führung von Prinz al-Walid ibn Talal. Die Holding brachte gemeinsam mit Oracle-Mitbegründer Larry Ellison und weiteren Investoren ungefähr 7,1 Milliarden US-Dollar auf. Zudem beteiligten sich renommierte Banken wie die „Bank of America“, „Morgan Stanley“ und „BNP Paribas“ mit Krediten in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar an der Finanzierung. Dieser ausgeklügelte Investment-Plan vermochte es letztendlich, die ehemaligen Twitter-Aktionäre und den Vorstand final, durch die Bekräftigung der Glaubwürdigkeit der Übernahme, zu überzeugen und somit die Tore für eine der größten  Firmenübernahmen der letzten Jahre zu öffnen. 

Und wie sehen nun die Folgen der Übernahme aus?

Eine Unternehmensübernahme hat in der Regel große Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur, auf die Personalstruktur und auch auf die jeweilige Unternehmensphilosophie. Im Falle von Twitter wird ein solch drastischer Wandel mehr als deutlich. Unmittelbar nach der Übernahme kam es bereits zu ersten Entlassungen, die zunächst die oberste Management-Ebene trafen. So wurden beispielsweise mit sofortiger Wirkung Twitter-CEO (Chief Executive Officer) Parag Agrawal und Twitter-CFO (Chief Finance Officer) Ned Segal von ihren Aufgaben bei Twitter freigestellt. In Kombination mit Musks zynischem Tweet „Der Vogel ist befreit.“ sorgte diese erste Entlassungswelle, welche auch Mitarbeiter in den Bereichen Entwicklung und Moderation traf, für lautstarke Kritik an der 180° Wende in der Unternehmensführung. Bei der ersten Entlassungswelle von knapp 50% der Belegschaft soll es laut Musk jedoch auch zu versehentlichen Kündigungen gekommen sein, welche rückabgewickelt werden mussten. Auch diese Aussage sähte an den Märkten Zweifel an Musks Twitter-Führungskompetenz. Musk rechtfertigte die Entlassungswelle mit den finanziellen Defiziten des Twitter-Konzerns, welche zu dem Zeitpunkt bei ca. vier Millionen US-Dollar pro Tag gelegen haben. Als Antwort einiger Mitarbeiter erfolgte eine Klage, welche sich einen Verstoß gegen das geltende amerikanische Arbeitsrecht zum Gegenstand machte. Darüber hinaus führte ein Ultimatum Musks an die verbliebene Twitter- Belegschaft, welches einen stärkeren Einsatz für das Unternehmen, z.B. durch längere Arbeitszeiten, forderte, zu zahlreichen weiteren Kündigungen. Die Zahl der Kündigungen überstieg zwar Musks Erwartungen, er gab jedoch an, dass die besten Leute bleiben würden und er somit keinen Grund zur Sorge hätte. Zu weiteren radikalen Umbrüchen kam es vor allem in der Gesellschaftsstruktur des Unternehmens, da Musk das Unternehmen von der Börse nahm und somit von einer Aktiengesellschaft in eine „Incorporation“ umwandelte. Trotz der vielen Umbrüche gelang es Musk bisher nicht, das Unternehmen profitabel zu gestalten, im Gegenteil stiftete er strukturelles Chaos und stellte deshalb im Winter letzten Jahres seinen Chef-Posten bei Twitter im Rahmen einer Twitter Umfrage zur Verfügung, mit der Kondition, dass sich ein aus seiner Sicht geeigneter Nachfolger finden müsse. Ungefähr 57,5% der abstimmenden User forderten seinen Rücktritt und ca. 42,5% plädierten für seinen Verbleib als CEO. Musk erklärte, die Umfrage respektieren zu wollen und einen aus seiner Sicht für die Position geeigneten Nachfolger finden zu wollen. Bis heute ist Elon Musk CEO der Twitter Inc. und hat in den Wochen nach der Umfrage erläutert, dass sie auch von seinen Gegnern mittels Bots manipuliert worden sein könnte. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Situation bei Twitter und Musks Rolle im Unternehmen entwickeln.

Klar ist jedoch, dass die Twitter-Übernahme Musks übrigen Unternehmungen, in erster Linie Tesla und SpaceX nicht unbedingt zuträglich war, was auch das Drängen der Twitter-Aktionäre Musks zum Rücktritt vom Twitter-Chefsessel begründet. Unter anderem durch Elon Musks verstärkten Fokus auf den Twitter-Konzern hatte die Tesla Aktie 2022 knapp 700 Milliarden US-Dollar eingebüßt und war zum Ende des Börsenjahres 2022 nur noch gut 1/3 vom Vorjahreskurs wert. Seit Mitte Januar erlebte die Tesla-Aktie jedoch wieder einen starken Kursanstieg, da viele Analysten das Papier als unterbewertet bzw. günstig betrachteten und zum Kauf der Aktie rieten. Aktuell (17.03.2023) pendelt sich Tesla-Aktie bei ca. 169€ pro Stück ein.Elon Musk selbst erlitt 2022 wirtschaftliche Schäden in Höhe von über 200 Milliarden US-Dollar, womit er den Weltrekord des größten finanziellen Verlusts aller Zeiten aufstellte.

Wohl eher kein Grund zur Freude.   

Teaser In meinem nächsten Artikel möchte ich Euch gerne als Vertiefung der Unternehmensübernahme Thematik das Geschäft von „Hedgefonds“ und das sogenannte „Shortselling“ durch „Leerverkäufe“ ein wenig näher bringen.

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