9. AusgabeChristmas Around The Corner

Weihnachtsgeschichte

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Weihnachtsgeschichte

„Das war der letzte Tag vor den Ferien – endlich!“, sagte Noah zu seiner Schwester, als sie im Schnee von der Schule gingen. „Ja! Morgen ist schon Weihnachten …“, sagte Laura schwärmend.

Als sie zu Hause angekommen waren und die ältere Schwester Laura die Tür aufschloss, entdeckten die beiden Geschwister eine Vielzahl von Koffern und anderen Gepäckstücken. „Hier, packt euch bitte schnell eure Sachen in den Koffer“, sagte Papa. „Hä? Wieso das?“, fragte Noah überrascht. “Wir fahren über Weihnachten zu Oma nach Österreich.“ „Cool!“, sagte Laura, schnappte sich seinen Koffer und ging in sein Zimmer. Die beiden Geschwister waren sehr glücklich über die spontane Überraschung und beide packten alles, was sie über die Feiertage brauchen würden, zusammen. Als nach ca. einer Stunde alles bereit für die Reise war, machte sich die Familie auf den Weg zum nahegelegenen Bahnhof. Es schneite und sie gingen an vielen festlich geschmückten Häusern vorbei.

„Wann kommt unser Zug?“, fragte Laura. „In einer Viertelstunde“, erklärte Papa. Die Familie ging also zu ihrem Gleis, an dem sie eine Durchsage erwartet, welche eine Verspätung um 20 Minuten ankündigte. „Och nee, oder?“, sagte Noah genervt. Mama bot daraufhin an: „Wir haben also noch eine halbe Stunde. Was meint ihr, sollen wir zusammen zum Bäcker gehen und uns etwas für die Fahrt holen?“ „Nein, können wir nicht zu McDonalds gehen?“, sagte Noah. „Oder nein, da war doch eben noch so ein cooler Donutshop“, meinte Laura. „Ich habe keinen Hunger. Ich möchte mir höchstens noch die Zeitung für die Fahrt holen“, erklärte Papa. „Na schön, ihr seid ja alt genug, also treffen wir uns in zwanzig Minuten wieder hier. Verstanden? Hier habt ihr beiden ein bisschen Geld“, legte Mama fest und reichte ihren Kindern etwas Kleingeld. Also machte sich Noah auf den Weg zu McDonalds, Laura zum Donutshop, Mama zum Bäcker und Papa zum Kiosk.

Als Laura genüsslich an ihrem roten Donut roch, merkte sie, dass durch das lange Anstehen schon mehr als zwanzig Minuten vergangen waren. Sie legte ihren Donut also wieder zurück in die Box und rannte mit dieser in der Hand zum Gleis. Aber welches war es nochmal gewesen? Vor lauter Hektik geriet die fünfzehnjährige in Panik. In einer Minute sollte der Zug eintreffen. Als sie sah, dass ein nicht allzu weit entfernter Zug, der bereits eingetroffen war, gleich abfahren würde, betrat sie ihn, ohne nachzudenken. „Noah?“, rief sie, um ihre Familie aufzufinden. Doch keine Antwort. Der Zug fuhr los und Laura beschloss, ihre Mama anzurufen. Als diese wüten dranging, erkannte sie, dass sie in den komplett falschen Zug gestiegen war.

Ähnlich erging es auch ihrem zwei Jahre jüngerem Bruder. Nachdem er McDonalds zu spät verlassen hatte, rannte er durch den Schnee zum Gleis, dass er für das Richtige hielt und rannte in den Zug, welcher dort war. Seine Familie konnte er in diesem leider auch nicht finden. Auch er war im falschen Zug.

Der Vater der vierköpfigen Familie hingegen war zwar pünktlich aus dem Geschäft, aber nicht am richtigen Gleis und stieg also auch in die falsche Bahn. Das bemerkte er aber ungünstigerweise ebenfalls zu spät.

Nur die Mutter schaffte es, den richtigen Zug am richtigen Gleis wiederzufinden. Es startete also ein Familienanruf, in welchem Mama versuchte, allen die aktuelle Situation beizubringen. Sie sagte: „Es wäre am besten, wenn ihr jetzt erstmal kurz versucht herauszufinden, wo ihr gerade hinfahrt. Fragt einfach irgendwen. Aber wartet mal … überall sind doch Anzeigetafeln, wie konntet ihr die denn übersehen?“ „Die waren alle wegen des gestrigen Schneesturmes defekt. Steht in der Zeitung“, erklärte Papa. „Ach, wie auch immer: folgt jetzt bitte einfach meiner Anweisung. Sowas kann auch nur uns passieren … schreibt dann in den Familienchat“ Sie fragten also herum.

Wie zum Beispiel Papa. Er bat eine ältere Dame um Informationen: „Entschuldigung, das kommt jetzt wahrscheinlich etwas … ja seltsam rüber, aber wohin fahren wir?“ „Ja, sie haben recht, das kommt mir wirklich äußerst dämlich vor. Ist das ein schlechter Scherz?“ fragte die Unbekannte misstrauisch. „Ja, also es ist eine etwas komplizierte Geschichte …“, sagte der Vater schmunzelnd. „Erzählen Sie. Wir haben fünf Stunden Zeit!“, unterbrach sie. „Fünf Stunden? Wohin geht es denn? Bitte sagen Sie es mir.“ „Es geht nach Paris! Endlich sehe ich meine beste Freundin wieder …“, schwärmte sie. „Nach Frankreich? Aber eigentlich wollte ich doch nach Österreich …“, sagte der Familienvater ein wenig enttäuscht. „Warum denn nach Österreich? Was ist hier los? Bitte erklären Sie mir die Situation.“

Während der verzweifelte Vater der Dame die Situation schilderte, fand Laura heraus, dass sie auf dem Weg in die Niederlande war.

Für Noah ging es nach Belgien. „Was soll ich denn jetzt machen?“, dachte sich Noah und schaute traurig aus dem Fenster. Er rief seine Mama an und fragte sie, wie es nach der ungefähr dreistündigen Anreise weitergehen sollte. „Wie viel Geld hast du dabei?“ „Fragte seine Mama. „Nicht viel. 10 € ungefähr. Mama, ich will nach Hause!“, sagte er enttäuscht. „Alles gut Noah. Wir bleiben in Kontakt und bald sehen wir uns wieder. Versprochen!“, munterte seine Mama ihn auf, die als einzige auf dem richtigen Weg war. „Also, was soll ich jetzt unternehmen? Was mache ich, wenn ich in zweieinhalb Stunden angekommen bin?“, fragte Noah verzweifelt. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Lass mich überlegen … Hast du schon eine Bekanntschaft im Zug gemacht?“, überlegte sie. „Ja, hier ist ein netter Junge namens Louis. Er kommt aus Belgien und ist gerade auf dem Weg nach Hause. Denn hier in Deutschland hat die Familie eine sehr gute Bekannte. Seine Familie und er sitzen gleich hinter mir. Sie sind wirklich nett.“ „Hast du ihnen deine Lage schon erklärt?“ „Ja, tatsächlich können sie auch Deutsch verstehen. Ich habe es ihnen gerade erklärt und sie versuchen mir weitestgehend zu helfen.“ „Darf ich ein Elternteil vielleicht kurz sprechen?“ „Na klar, einen Moment bitte!“, nach kurzer Unterbrechung ging eine freundliche Stimme ans Telefon. „Hallo! Ich bin die Mama von Louis. Noah hat mir schon von dem kleinen … Missverständnis erzählt. Das tut mir wirklich leid. Ich helfe ihm aber wo ich kann!“, sagte sie sehr liebevoll. „Vielen lieben Dank. Das weiß ich sehr zu schätzen! Wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?“, bedankte sich Noahs Mama. „Mein Name ist Alice. Und Sie heißen …?“, sagte Alice, die Mutter von Louis. „Marta, Marta ist mein Name“, antwortete Marta. „Wenn Sie mögen, kann ich Ihren Sohn für heute Nacht bei mir aufnehmen und mein Mann kann ihn dann morgen zurück nach Deutschland bringen. Ich weiß, Sie kennen mich nicht und das ist viel auf einmal, aber ich kann Ihren Sohn unmöglich alleine in einem völlig fremden Land umherziehen lassen. Das würden Sie und ich ihm nicht zumuten können. Vertrauen Sie mir?“, äußerte sich Alice. Noahs Mutter sagte darauf: „Ja, Sie haben recht. Ich werde meinen Sohn unmöglich nachts alleine Brüssel umhertreiben lassen. Ich würde meinen Sohn zwar keiner fremden Familie überlassen, aber dies ist wohl notwendig. Ich bin Ihnen so unfassbar dankbar!“ „Selbstverständlich. So wie Sie wirken, würden Sie dasselbe auch für meine Kinder tun. Wir hören uns heute Abend, Noah wird Ihnen meine Telefonnummer weiterleiten“, sagte sie. „Danke, danke“, sagte sie, „Eine Frage am Rande: warum können Sie so unfassbar gut Deutsch sprechen?“ „Meine beste Freundin, die in Deutschland lebt, habe ich seit der Schulzeit jede Ferien mindestens zwei Wochen besucht. Ihre Familie spricht Deutsch, ihre Freunde und alle anderen Menschen in der Umgebung. Ich habe viel gelernt und Deutschunterricht genommen. Wir haben uns bei einem Schüleraustausch kennengelernt und sind seitdem beste Freundinnen. Meinen Kindern habe ich dann auch zweisprachig erzogen. Gut, ich gebe Ihnen jetzt Ihren Sohn. Wir hören uns, bis später“, erklärte sie. „Danke vielmals. Gute Reise noch“, bedankte sie sich. Noah war wieder am Telefon und fragte: „Mama, werden wir uns vor Heiligabend morgen noch sehen?“ „Auf jeden Fall. Ich habe einen Plan mit Alice aufgestellt, das erzählt sie dir aber selbst. Bis dann, mein Lieber, wir hören uns!“, verabschiedete sich die Mutter liebevoll.

Bei Laura lief es leider nicht so gut. Sie hatte noch niemanden kennengelernt, nur einen Mann, der ihr das Reiseziel verraten hatte. Aber zehn Minuten später war er schon eingeschlafen. Sie meldete sich ebenfalls bei ihrer Mama, diese bat sie, irgendwen anzusprechen. Also verließ sie kurz ihren Platz und suchte unauffällig nach einer gleichaltrigen Person. Sie sah einen Jungen, der ungefähr so alt sein sollte wie sie. Sie begrüßte ihn: „Hallo, ich bin Laura. Und du?“ „Freut mich, ich bin Luca. Und, was hast du in den Niederlanden vor?“, sagte er höflich. „Ich weiß es selbst nicht. Du?“, gab Laura zu. „Ich besuche meine Familie. Mein Onkel und meine Tante sind vor zwei Jahren hingezogen. Aber, wie meinst du, du weißt es nicht?“, sagte Luca. „Es ist kompliziert. Ich bin in den falschen Zug gestiegen, habe meine Familie aus den Augen verloren und habe kein Geld dabei“, sagte die älteste Schwester beschämt. „Oh, das ist ja schrecklich. Warte, ich muss kurz ein Telefonat führen“, sagte er und holte sein Handy aus der Hosentasche. Nach 10 Minuten berichtete er stolz: „Laura, du kannst mit zu meiner Familie. Wir haben Platz und für eine Nacht ist das kein Problem. Was meinst du?“ „Oh wirklich? Das ist so nett! Danke schön!“, freute sie sich. „Komm, setz dich neben mich und erzähl mir die ganze Geschichte“, sagte er freundlich. „Ja, ich hole nur schnell mein Gepäck. Vielen Dank.“ Sie meldete sich bei ihrer Mama, die sehr glücklich war.

Der Papa hatte mittlerweile den Plan beschlossen, für eine Nacht in einem Hotel zu übernachten und dann morgen nach Hause zu fliegen.

Mama hatte ebenfalls beschlossen, schon bald wieder nach Hause zu fahren. Dann musste der Familienurlaub leider ausfallen. Aber Hauptsache, sie würden sich an Weihnachten sehen. Egal, was sie dafür tun müssen.

Als am späten Nachmittag bis Abend alle am Ziel waren, lernten sie die neue Umgebung und die Menschen kennen. Es war eine starke Umgewöhnung, aber alle waren einfach dankbar, untergekommen zu sein.

Noah war mittlerweile bei seiner Gastfamilie angekommen. Sie hatten eine schöne Wohnung und eine sehr liebe Katze. Alles war weihnachtlich geschmückt und Noah fühlte sich sofort willkommen. Die Mutter der belgischen Familie bereitete ihm das Gästezimmer vor und der Papa machte währenddessen etwas Leckeres zu Essen. Noah spielte mit den zwei Kindern Louis und Ella ein Spiel auf deren Konsole und hatte viel Spaß. Bald gab es leckeres Abendessen und sie hatten eine schöne Zeit. „Hast du schon mit deiner Mama gesprochen?“, fragte Alice. „Oh! Das habe ich ganz vergessen! Vor lauter Aufregung habe ich gar nicht darüber nachgedacht. Darf ich kurz?“, fragte Noah. Alice nickte und er ging in das Wohnzimmer nebenan. „Hallo Mama, wir sind vor einer Stunde zu Hause angekommen und ich fühle mich sehr wohl. Wie ist es bei Oma?“, berichtete er. „Hallo, ich bin gerade vor ca. 10 Minuten angekommen, es freut mich, dass es dir gefällt. Wir sehen uns morgen wieder, lass uns gleich noch telefonieren“, sagte sie erleichtert. „Bis gleich!“, sagte Noah und ging zurück zum Esstisch.

Laura ging es ebenfalls sehr gut. Die Familie war sehr nett und sie hatte viel Spaß mit ihrem neuen Freund Luca. Sie hatte ebenfalls vor kurzer Zeit mit Mama telefoniert.

Der Vater war bereits im Hotel angekommen, das Zimmer hatte er glücklicherweise schon im Zug gebucht. Er ging noch am Eiffelturm spazieren und kaufte sich zum Abendessen ein Baguette. Mit seiner Ehefrau hatte er telefoniert und ihr viele Fotos von der französischen Hauptstadt geschickt. Sie freute sich, dass es ihrer Familie gut ging, aber war auch froh, sie morgen wiederzusehen.

Als alle am Abend in ihren Zimmern waren, telefonierten sie nochmal zusammen. „Heute war ein langer Tag …“, sagte die Mutter. „Ja, aber morgen sehen wir uns wieder!“, sagte Papa grinsend. „Flug ist gebucht.“ „Du fliegst? Mich bringt Merle, bei der ich heute schlafe, nach Hause. Ich habe die drei schon richtig ins Herz geschlossen … wie ist es bei dir? Wie kommst du nach Hause, Noah?“, sagte Laura. „Mich bringt Victor, der Papa, zurück. Ich habe ebenfalls sehr Glück mit der Familie gehabt. Sie sind sehr herzlich und nett.“ „Ich fahre morgen mit dem Zug zurück. Ich bin gegen 16:00 Uhr wieder da. Und ihr?“ Alle sagten, sie wären ungefähr zur gleichen Zeit wieder in der Heimatstadt. Nach dem Telefonat legten sich alle schlafen, denn morgen würde wieder ein anstrengender Tag werden.

Um 8 Uhr morgens machte sich die Mutter auf den Weg, um 12 Uhr Noah, um 14 Uhr Laura und um 14:30 ging der Flug des Vaters. Alle waren so glücklich, dass sie sich nach diesen verrückten Tagen, die ganz anders verlaufen waren als gedacht, wieder in die Arme nehmen konnten.

Um kurz nach 16 Uhr waren alle Familienmitglieder angekommen. Als alle vor dem Haus standen und es begann zu schneien, waren alle überglücklich und nahmen sich in die Arme.

„Ich habe euch vermisst“, sagte Laura. „Ich euch auch“, sagte Noah zufrieden. „Aber jetzt sind wir wieder zusammen!“, sagte Mama. „Aber … was machen wir jetzt? Es ist Sonntag und wir haben so gut wie nichts zu essen zu Hause“, stellte Papa fest. „Ein bisschen haben wir was. Es kommt nicht darauf an, was wir an Weihnachten machen, was wir essen, wo wir sind, Hauptsache wir sind zusammen!“, sagte die Mutter. „Na kommt, wir gehen rein“, sagte Noah lachend.

Sie schmückten gemeinsam das Haus ein wenig, hörten Weihnachtssongs und machten es sich bequem. Geschenke gab es auch. Außerdem telefonierten sie mit den Leuten, die den beiden Kindern in den zwei Tagen enorm geholfen hatten. Zum Abendessen gab es zwar nur Tiefkühlpizza und kleine Beilagen an Stelle des üblichen Festmahles, und ein Tannenbaum stand auch nicht im Wohnzimmer, aber daran dachte die Familie nicht. Sie waren einfach glücklich, ein gemütliches Weihnachten zusammen zu feiern. Denn das ist es, worauf es an Weihnachten wirklich ankommt: das Beisammensein mit der Familie.

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