Kommentar: Warum die amerikanische Bewegung auch uns zum Nachdenken bringen sollte
„No justice, no peace “.
So lautet der Slogan, der seit Monaten durch die Straßen Amerikas hallt. Inmitten einer globalen Pandemie ist das Thema soziale Ungleichheit nach Amerika zurückgekehrt. Und nicht nur nach Amerika. Auch in anderen Teilen der Welt folgen Menschen dem Aufruf zu Demonstration für eine gerechtere Gesellschaft. Auch wenn die Dimension der Rassenungleichheit in den USA eine andere ist, gibt es auch hierzulande Anlass zum Nachdenken.
Vier Polizei Offiziere, ein Knie, 7 Minuten und 46 Sekunden und ein Schrei, der um die Welt ging. „I can’t breath“, auf Deutsch „Ich kann nicht atmen“, zeigte Amerika auf so grausame Art und Weise, dass auch 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei, soziale Gleichheit zwischen Weißen- und Afroamerikanern noch immer ein Wunschgedanke ist. Obwohl es nicht die erste fatale Auseinandersetzung zwischen der Polizei und schwarzen Amerikanern ist, ist der Tod George Floyds zum Anlass neuer Aufruhen in ganz Amerika geworden.
George Floyd, das war ein 46-jähriger Afroamerikaner aus dem Bundesstaat Minnesota. Am Abend des 25. Mai 2020 ging ein Anruf bei der Polizei in Minneapolis ein. Ein Geschäftsbesitzer alarmierte die Beamten, dass in seinem Laden mit Falschgeld bezahlt wurde. Kurze Zeit später standen vier Polizei Offiziere neben dem Auto des Beschuldigten. Der Beschuldigte George Floyd wurde nach einer kurzen Auseinandersetzung verhaftet und mit Handschellen zu einem Polizei-Auto geführt. Doch wie er mehrere Male lautstark zu hören gab, konnte er das Auto aufgrund seiner Klaustrophobie nicht betreten. Das folgende Gerangel brachte George Floyd zu Boden.
Das Video des Vorfalls erreichte Amerika wie eine Druckwelle. Auf Social Media wurde die Aufnahme des Vorfalls Millionen Male geklickt. Der schockierende Anblick des schwarzen George Floyd mit dem Knie des weißen Beamten auf dem Nacken öffnete Wunden, die Afroamerikaner ein Leben lang mit sich tragen. Denn das Thema Polizei Brutalität ist für Dunkelhäutige in den Staaten ein alltägliches.
Obwohl George Floyd nicht das einzige Opfer von ungerechtfertigter Gewalt ist, war es sein Video und sein Leiden, dass Amerikaner auf die Straßen brachte. Müde von Rassismus, ungerechtfertigter Gewalt und Diskriminierung, die tief in der Gesellschaft verankert ist, waren es Menschen aus alle Teilen der Gesellschaft, die Reformen forderten und noch immer fordern. Von anfänglich kleinen und lokalen Demonstrationen entwickelte sich eine nationale Bewegung, die so noch nie existierte.
Die Welle der Solidarität war jedoch nicht nur begrenzt auf die 50 Staaten der USA. Auch in anderen Teilen der Welt folgten Menschen dem Beispiel des „Black Lives Matter Movement“. So auch in Deutschland und das nicht nur aus Solidarität. Denn auch hierzulande ist das Problem der Diskriminierung von Minderheiten kein fremdes. Jedoch ist es lange nicht so präsent wie in Amerika.
Diese fehlende Präsenz macht es zu etwas, das viele Deutschen falsch einschätzen. Es wird geglaubt, dass das Problem der Ausgrenzung von Minderheiten weit weg ist. Doch das ist es nicht.
Wir sehen zwar keine rassistischen Vorgehensweisen von Polizei-Beamten in Deutschland, doch Minderheiten fühlen trotzdem täglich Auswirkungen von Ausgrenzung und Diskriminierung.
Das fängt schon an, wenn wir Menschen aufgrund ihrer Herkunft einschätzen oder aufgrund ihres Aussehens in eine Schublade stecken. Für viele Immigranten ist es immer noch schwierig, gleichwertige Jobs zu finden, obwohl sie teilweise genauso qualifiziert sind. Und wer kann sich nicht daran erinnern, als sich Menschen nach dem Ausbruch des Coronavirus in China in Bus und Bahn von Deutsch-Asiaten weggesetzten?
Alle diese Aktionen haben Auswirkung und das, obwohl die meisten nicht gewollt und indirekt passieren.
Genau deshalb wird es Zeit, darüber nachzudenken, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Der Schrei nach Gerechtigkeit in Amerika darf nicht nur eine interessante Entwicklung in einem anderen Land ein. Es muss uns dazu bringen, nachzudenken: Über unser eigenes Verhalten und über unsere eigene Beziehung zu Rassismus.
Wir müssen uns selbst hinterfragen und überlegen, wie wir mit Menschen anderer Herkunft und anderes Aussehens umgehen. Das heißt sicherlich auch zu erkennen, dass jeder von uns ein Stückchen Rassismus in sich trägt. Doch erst wenn wir das erkennen, können wir uns verändern.
Möchte man Rassismus bekämpfen, dann ist es nicht genug zu sagen, man sei gegen Rassismus, denn das bedeutet nicht mehr als ein einfaches Wegschauen und Ignorieren der eigenen Aktionen. Man muss bereit sein, seine eigene Beziehung zu Rassismus zu hinterfragen.
Was uns die „Black Lives Matter“ Bewegung in Amerika zeigt, gibt Hoffnung. Menschen, die zusammenkommen, um für das Richtige einzustehen und auf Probleme aufmerksam zu machen. Es zeigt, dass es möglich ist, die Zukunft zu verändern. Eine Zukunft, in der jeder Mensch gleichberechtigt ist.
Auch wenn die Herausforderungen riesig scheinen, sollten auch wir versuchen, für Gleichberechtigung einzustehen. Denn ist eine Gesellschaft, in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft ausgegrenzt werden, wirklich frei?