Im nun letzten Artikel meines Mosaik Projekts möchte ich euch, wie bereits angekündigt, einen Überblick über das Geschäft von Hedgefonds und deren Strategien geben. Aber von Anfang an:
Was ist überhaupt ein Hedgefonds?
Bei einem Hedgefonds handelt es sich um einen Investmentfonds, welcher durch einen oder mehrere Fondsmanager aktiv verwaltet wird. Investoren stellen Kapital zur Verfügung, welches dann der Anlagestrategie des Fonds entsprechend von den Fondsmanagern z.B. in Aktien und Anleihen, aber auch in Derivaten und Optionen, angelegt wird. Die Mindesteinlagen fallen in der Regel deutlich höher als bei herkömmlichen Fonds aus und liegen nicht selten bei über 500.000€. Der Begriff „Hedgefonds“ lässt sich aus dem Englischen von „to hedge“ ableiten, was „absichern“ bedeutet. So können zum Beispiel durch Derivate Gewinne durch den Kursverlust eines Titels erzielt werden und es können eigene Werte abgesichert werden. Diese Strategie wird auch als „Hedging-Strategie“ bezeichnet. In den meisten Fällen sind die Portfolios der Hedgefonds allerdings äußerst riskant konzipiert, wodurch neben großen Gewinnen auch große Verluste entstehen können. Zu den riskantesten Investitionen zählen „Leerverkäufe“, welche mit dem Ziel der maximalen Rendite (Ertrag des Wertpapiergeschäfts) locken und unter das sogenannte „Shortselling“ fallen. Hedgefonds unterliegen deutlich weniger Regularien und können daher eine Vielzahl von mitunter riskanten Investmentstrategien verfolgen.
Was sind Leerverkäufe?
Wie bereits erwähnt, sind Leerverkäufe häufig ein essenzieller Teil der Investmentstrategie eines Hedgefonds. Im Rahmen solcher Leerverkäufe leiht sich der Fonds, überwiegend gegen eine Leihgebühr, Aktien von einem Aktienbesitzer, zum Beispiel einem anderen Fonds. Anschließend verkauft er diese Aktien und verbucht einen entsprechenden Gewinn. Meistens werden im Rahmen eines Leerverkaufs große Aktienkontingente bewegt, wodurch auch der Verkauf einen Einfluss auf den Marktwert der Aktie haben kann. Fällt die Aktie nun im Wert, kauft sie der Hedgefonds für einen nun vergünstigten Preis zurück und gibt sie an den Aktienverleiher zurück. Leerverkäufe sind nach dem Prinzip des klassischen Termingeschäfts aufgebaut, und so wird zwischen den Handelspartnern eine Frist für die Rückgabe der geliehenen Aktien vereinbart. Somit verdient der Hedgefonds die Differenz aus Verkaufs und Rückkaufpreis, abzüglich einer möglichen Leihgebühr. Mit dieser Strategie setzt der Hedgefonds also auf fallende Kurse eines Wertpapiers und nimmt eine sogenannte „Short-Position“ ein. Als zusätzliches Risiko wird der Zeitraum für den prognostizierten Kursverlust eines Wertpapiers durch die Rückgabefrist zusätzlich eingegrenzt. Bleibt ein solcher Kursverlust aus oder setzt zu spät ein, drohen selbstverständlich aufgrund der hohen Handelswerte große finanzielle Einbußen.
Ungedeckte und gedeckte Leerverkäufe
Zusätzlich unterscheidet man bei Leerverkäufen zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen. Bei gedeckten Leerverkäufen muss der Leerverkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufs tatsächlich im Besitz des Wertpapiers sein, wodurch für den Käufer kein Lieferrisiko besteht. Bei ungedeckten Leerverkäufen befindet sich der Leerverkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht im Besitz des Wertpapiers, und somit ist eine Lieferung nicht garantiert, da der Verkauf ja nicht durch reale Wertpapiere gedeckt wird. Ein solcher Handel ist möglich, da ab Zeitpunkt des Verkaufs ein Erfüllungszeitraum besteht und die Titel somit erst innerhalb einer bestimmten Frist an den Käufer geliefert werden müssen. Kann der Shortseller beispielsweise aufgrund der Angebotslage nicht genug Aktien oder sogar gar keine Titel beschaffen, kommt es zum Lieferausfall und die Lieferpflicht bleibt unerfüllt. Deshalb bürgen ungedeckte Leerverkäufe neben dem Marktpreisrisiko auch das Lieferrisiko. In Deutschland sind ungedeckte Leerverkäufe allerdings 2012 von der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) verboten worden.
Die Handelspartner und ihre Motive
Wesentliches Merkmal der Hedgefonds ist, dass ihre Positionen für gewöhnlich temporär sind und somit auf kurzfristige und schnelle Gewinne abzielen. Durch die Leerverkäufe wird das Investoren-Kapital nicht dauerhaft bzw. über einen längeren Zeitraum gebunden und die Hedgefonds können flexibler auf Marktbewegungen reagieren. Im Gegensatz zu Hedgefonds zielen beispielsweise Vermögensverwalter und Pensionskassen mit ihren konservativeren (risikoversaleren) Strategien auf langfristige Gewinne und Erfolge ab und können so, durch die Leihgebühr, auch in Zeiten des Kursverlusts eines Wertpapiers dennoch Gewinne erzielen und ihre Positionen zusätzlich absichern. Ursprünglich war die Absicherung von Titeln der Hintergedanke bei Leerverkäufen. Fonds verkauften Aktien, welche sie selbst besaßen, leer, um einen möglichen Kursrückgang ausgleichen zu können. Dies trübte zwar die Rendite, minimierte jedoch das Risiko eines großen Verlusts erheblich. Eine solche Hedging-Strategie ist häufig der Investitionsgrund für institutionelle Investoren, wie z.B. Pensionskassen und Fonds, Gelder in einem Hedgefonds anzulegen.
Die Rolle der Hedgefonds
Insbesondere in Deutschland wurden und werden Hedgefonds häufig kritisch betrachtet und mit Heuschrecken verglichen, welche über Firmen herfallen würden und diese ausnähmen. Diese Position ist häufig in der Annahme begründet, dass Hedgefonds mit ausschließlichem Fokus auf die Rendite den Aktienkurs von Unternehmen unbegründet drücken würden und diesen schaden würden. Allerdings liegen den Short-Positionen von Hedgefonds in der Regel umfangreiche Unternehmensanalysen zugrunde, welche nicht selten von Analysten der Hedgefonds über große Zeiträume hinweg erarbeiten wurden. Sie können somit durchaus eine wichtige Korrekturfunktion für die Märkte übernehmen, indem sie überbewertete Aktien ins Visier nehmen. Zudem dienen die Analysen einer umfassenden Durchleuchtung von Unternehmen und beispielsweise deren Bilanzen, welche Anleger schützen können. Eines der wohl prominentesten Beispiele für eine solche „Unternehmensentlarvung“ ist der Fall „Wirecard“ aus dem Jahre 2020.
Der Fall Wirecard
Der Zahlungsdienstleister Wirecard aus Aschheim bei München erlebte seit den frühen 2000ern einen rasanten Aufstieg. Nachdem 2002 Markus Braun den Vorstandsvorsitz bei Wirecard übernommen hatte, ging es für das Unternehmen steil bergauf. 2006 nahm Wirecard einen Platz im Tec-Dax (deutscher Aktienindex, der die 30 größten Technologiewerte erfasst) ein und verdrängte dann 2018 die Commerzbank aus dem Dax (deutscher Aktienindex, der damals die 30 größten Werte umfasste, heute 40). Dieser rasante Aufstieg war die Folge einer stetig gestiegenen Marktkapitalisierung (Gesamtwert aller ausgegebenen Aktien einer Aktiengesellschaft) und hoher Börsenumsätze (Zahl gehandelter Aktien/ Handelsvolumen). Die Beliebtheit der Aktie war auf gewaltige Unternehmensumsätze und verlockende Gewinnprognosen für die Zukunft zurückzuführen. Eine solch positive Kapitalsituation wurde von Wirtschaftsprüfern, welche die Bilanzen (Aufstellung des Vermögens und der Verbindlichkeiten) des Unternehmens prüften und die Geschäftsberichte abnahmen, bestätigt Wirecard wurde als „rising star“ der deutschen „Start-ups“ wahrgenommen und die Visionen des Vorstandes versprachen Expansionspotenzial für das Vorzeigeunternehmen.
So viel zur Vorgeschichte.
Bereits Anfang 2019 folgte der erste Dämpfer für das Unternehmen. So berichtete die „Financial Times“ von manipulierten Zahlen in Asien seitens Wirecard, aus welchen ein vermeintliches Treuhandvermögen des Unternehmens in Höhe von 1,9 Milliarden Euro hervorgegangen war. Erste Shortseller, wie der Hedgefonds „Safkhet Capital“, hatten bereits zuvor in Analysen vor Unregelmäßigkeiten in der Unternehmensbilanz gewarnt und sich teilweise sogar an die BaFin gewendet, um vor der Situation zu warnen. Diese hatte Wirecard Leerverkäufe zuvor verboten und somit den Hedgefonds die Möglichkeit genommen, das Unternehmen zu „shorten“. Trotz der zahlreichen Analysen und journalistischen Recherchen behielt die BaFin ihren Kurs.
Am 18. Juni um 10:43 Uhr kam es schließlich zum Wendepunkt der Erfolgsgeschichte von Wirecard und es wurde bekannt, dass die Veröffentlichung des Jahresabschlusses des Unternehmens verschoben werden muss, da die Wirtschaftsprüfer von „Ernst and Young“ die Abnahme des Jahresabschlusses verweigerten, nachdem der Wirtschaftsprüfer „KPMG“ die Existenz der 1,9 Milliarden € negiert hatte. Der Schock war groß, die Anleger stießen die Aktien ab und Wirecard verlor 7,6 Milliarden € seines Börsenwerts. Es folgte die Insolvenz des Unternehmens und der finanzielle Ruin zahlreicher Anleger. CEO Markus Braun trat zurück, wurde inhaftiert und COO Jan Marsalek wurde freigestellt, flüchtete anschließend auf spektakuläre Weise vor dem Gesetz und landete auf der „Most-Wanted-Liste“ von Interpol.
Aber zurück zu unserem Thema.
Viele Hedgefonds hatten also frühzeitig durch ihre Analysen vor der Gefahr gewarnt, konnten jedoch durch Regulierungen keine Short-Position aufbauen und wurden von der BaFin nicht beachtet. Die Anleger konnten durch ausbleibende Kursverluste keine Gefahr erkennen, vertrauten den Aufsichtsbehörden und hielten ihre Anteile. Frühzeitige Kursrutsche durch Leerverkäufe hätten wahrscheinlich frühzeitig ein entsprechendes Signal transportiert und zum Verkauf bewegt.
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